Ludwig August Frankl (1810-1894) - Ein jüdischer Kosmopolit in Mitteleuropa/A Jewish Cosmopolitan in Central Europe

Ludwig August Frankl (1810-1894) - Ein jüdischer Kosmopolit in Mitteleuropa/A Jewish Cosmopolitan in Central Europe

Organisatoren
Kurt-und-Ursula-Zentrum für Judaistik und Institut für Germanistik, Univerzita Palackého v Olomouci
Ort
Olomouc
Land
Czech Republic
Vom - Bis
12.12.2010 - 14.12.2010
Url der Konferenzwebsite
Von
Simona Mala, Palacky Universität, Olomouc

Das Kurt-und-Ursula-Zentrum für Judaistik und das Institut für Germanistik an der Palacký Universität in Olomouc veranstalteten gemeinsam mit dem Institut für Germanistik der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und dem Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte der Universität Salzburg vom 12.12.-14.12.2010 eine Konferenz über Ludwig August Frankl anlässlich seines 200. Geburtstages. Vierzehn Wissenschaftler aus vier Ländern und verschiedenen Disziplinen stellten Ludwig August Frankl als vielseitige Persönlichkeit seiner Zeit vor. Die Konferenz fand in den Räumen des Künstlerzentrums Konvikt der Philosophischen Fakultät statt und wurde durch die Aktion Österreich-Tschechien, Cardinal Franz Koenig Austrian Studies, Hebrew University in Jerusalem, Österreichisches Kulturforum und Jüdische Gemeinde in Olomouc unterstützt.

Nach der offiziellen Begrüßung durch den Gesandten des Staates Israel Shahar Shelev, den Dekans der Philosophischen Fakultät Jiří Lach, die Leiterin des Instituts für Germanistik Ingeborg Fialová und Thomas Hrbek, Vizepräsident der Jüdischen Gemeinde in Olomouc, hielt MICHAEL SILBER (Jerusalem) den Eröffnungsvortrag mit dem Titel „Ludwig August Frankl and the Dilemmas and Choices of his Generation“. Er stellte das Leben des 1810 in Chrast, Böhmen geborenen Ludwig August Frankl in den Kontext der religiösen und nationalen bzw. ethnischen Handlungsmuster von jüdischen Intellektuellen seiner Generation in verschiedenen Provinzen der Habsburger Monarchie. Außerdem lieferte er einen Überblick über Frankls Tätigkeit als Schriftsteller, Journalist, Arzt und Sekretär der Jüdischen Gemeinde in Wien.

GERTRAUD MARINELLI (Wien) und ERNST WANGERMANN (Salzburg) konzentrierten sich in ihren Beiträgen auf Frankls publizistische Tätigkeit im Vormärz und während der Revolution von 1848, vor allem auf seine Herausgeberschaft der „Sonntagsblätter“, die zu den bedeutendsten und wirkungsmächtigsten Presseorganen ihrer Zeit zählten. Frankls patriotische Veröffentlichung „Das Habsburglied“ (1832) sowie die posthum von Stefan Hock herausgegeben „Erinnerungen“ (1910) wurden auf ihre politische Relevanz überprüft.

In einem kulturwissenschaftlichen Panel stellte DIETER HECHT (Wien) „Frauen um Ludwig August Frankl“ in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen und analysierte, in welchem Ausmaß Frankl von Frauen und Frauennetzwerken profitierte (zum Beispiel durch Elise Herz-Lämel, die ihn nach Jerusalem entsandte, um dort die Lämel-Schule zu gründen) bzw. inwiefern er selbst Frauen förderte (unter anderem Betty Paoli und Ida Pfeiffer). LOUISE HECHT (Olomouc) untersuchte den variablen Inhalt und Ausdruck von Frankls jüdischer Identität, die sich konventionellen Kategorisierungen entzieht, anhand von transmedialen (Selbst-)Inszenierungen.

CARSTEN L.WILKE (Budapest) und BARBARA OTTO (Wien) analysierten verschiedene Aspekte von Frankls kulturhistorischer Bedeutung. Wilke charakterisierte Frankl als „Mythographen“, der den Marranen-Stoff (insbesondere die Mythen umwobene Biographie des portugiesischen Converso Baron Diego d’Aguilar, einem Hofjuden Karls VI. und Maria Theresias) in einen neuen Kontext stellte. Otto widmete sich in ihrem Referat Frankls Verdiensten um die Schiller-Rezeption in Wien sowie seinen unermüdlichen Initiativen für die Aufstellung des Schiller-Denkmals auf der Wiener Ringstraße.

BARBARA BOISITS (Wien) würdigte Frankls Bedeutung für die Wiener Musikkritik, indem sie das innovative Potential der von Frankl herausgegebenen Periodika, „Sonntagsblätter“ und „Wiener Bote“, als wichtige Medien einer modernen Musikkritik unterstrich.

YOCHAI BEN-GHEDALIA (Jerusalem) und MARIE KRAPPMANN (Olomouc) widmeten sich Frankls Orientreise in den 1850er Jahren bzw. seinem Reisebericht „Nach Jerusalem“ (1858). Ben-Ghedalia kontrastierte Frankls philanthropische Mission (Schulgründung in Jerusalem im Auftrag von Elise Herz) und seinen mitteleuropäischen ‚Orientalismus‘ mit Jehuda Halevis (1075-1141) Zionssehnsucht und der daraus entstandenen Lyrik. Marie Krappmann ordnete dagegen Frankls ambivalente Reisebeschreibung in den Kontext zeitgenössischer Reiseliteratur ein und hob sowohl die Einzigartigkeit von „Nach Jerusalem“ als auch die Bedeutung des Werkes innerhalb Frankls literarischem Oeuvre hervor.

Der Genealoge GEORG GAUGUSCH (Wien) beleuchtete sowohl den Ursprung der 1670 aus Wien vertriebenen Familie Frankl, die sich in Böhmen, Mähren und Deutschland niederließ, als auch Bedeutung und Schicksal von Ludwig Augusts illustren Geschwistern und Nachkommen, zu denen unter anderen Richard Beer-Hoffmann und der „Tropenpianist“ Charles Wehlé gehörten. GABRIELE KOHLBAUER-FRITZ (Wien) würdigte Frankls modernen wissenschaftlichen Zugang zu Objekten als Archivar der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, sowie seine bedeutende Funktion bei der Errichtung des Wiener Jüdischen Museums, des weltweit ersten Museums seiner Art, in dessen Beständen sich zahlreiche von Frankl (bzw. seinen Söhnen) gestiftete Objekte befinden.

Verschiedene Facetten des Schriftstellers und Poeten Frankl wurden im germanistischen Abschlusspanel analysiert. JÖRG KRAPPMANN (Olomouc) thematisierte Frankls Ausschluss aus dem literaturwissenschaftlichen Kanon und zeigte mehrere Möglichkeiten zu seiner Re-Integration auf. HUBERT LENGAUER (Klagenfurt) brachte die (antisemitische) Polemik Ferdinand Kürnbergers, Frankls einstigen Mitarbeiter in den „Sonntagsblättern“, zur Sprache, die sich unter anderem an Frankls Engagement zur Errichtung des Schillerdenkmals entzündet hatte. PETER VARGA (Budapest) schließlich setzte sich mit Frankls Wirken und Rezeption in Ungarn auseinander. Die beiden Angelpunkte seiner Analyse waren einerseits Frankls Lenau-Rezeption und andererseits Frankls Rezeption durch den ungarischen Nationaldichter János Arany, der Frankl dem ungarischen Publikum vorstellte und intertextuelle Verbindungen zwischen Lenau und Frankl feststellte.

Konferenzübersicht:

Michael Silber(Jerusalem): Ludwig August Frankl and the Dilemmas and Choices of his Generation

Gertraud Marinelli (Wien): Der Schriftsteller Ludwig August Frankl und die Wiener Unterhaltungsblätter im Vormärz

Ernst Wangerman (Salzburg): Ludwig August Frankls Bedeutung in der Revolution von 1848

Louise Hecht (Olomouc): Transmediale Inszenierungen Ludwig August Frankls

Dieter J. Hecht (Wien): Frauen um Ludwig August Frankl

Carsten Wilke (Budapest): Ludwig August Frankl als historischer Mythograph der Marranen

Barbara Otto (Wien): "Das Schiboleth, an dem wir uns Alle wiedererkennen." Friedrich Schiller: Vom jüdischen Säulenheiligen zur 'Nationalangelegenheit'

Barbara Boistis (Wien): Ludwig August Frankls Bedeutung für die Wiener Musikkritik

Stefan Schmidl (Wien): Abseits der ‚Universität‘: Vertonungen von Gedichten Ludwig August Frankls

Yochai Ben-Ghedalia (Jerusalem): ‘My Heart is in the East:’ Ludwig August Frankl's Mission to the Orient in the Footsteps of Yehuda Halevi

Marie Krappmann (Olomouc): ‚Nach Jerusalem!‘: Zwischen Zeitgeschichte und Literatur

Georg Gaugusch (Wien): Familiäre Netzwerke der Familie Frankl

Gabriele Kohlbauer-Fritz (Wien): Ludwig August Frankl als Archivar und Museumsinitiator

Jörg Krappman (Olomouc): Der ‚Mitgenannte‘ - Ludwig August Frankls Stellung in der Literaturgeschichte

Hubert Lengauer (Klagenfurt): Konkurrenz und Kompensation. Die Polemik Kürnbergers gegen Ludwig August Frankl

Peter Varga (Budapest): Ludwig August Frankls Wirken und Rezeption in Ungarn


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